Bonner General-Anzeiger | 6./7.10.01

Figurentheater gegen den Ungeist
Georg Schramm alias Oberstleutnant Sanftleben, Urvieh August oder Lothar Dombrowsky mit seinem Programm „Mephistos Faust“ zu Gast im Pantheon.

Man braucht hier gar nicht drum herum reden, der Mann hat – augenöffnende – Klasse. Georg Schramm heißt er, und macht, jetzt kommt’s, politisches Kabarett. Politisches Kabarett? Moment, war das nicht dieses untote Gedaddel früh entsafteter Alt-Freaks, für deren gichtigen Galopp man schnell noch die Türen aus den Angeln gehoben hat? Bei Schramm hingegen geht es nicht um Gequatsche, sondern um Darstellung. Die Wahrheit liegt auf dem Platz, und so inszeniert er politisches Kabarett als Pièce de résistance, als Figurentheater, bestürzend intelligent und gefühlsecht, gegen den Ungeist – und das stillschweigende Einverständnis, den da zu finden, wo wir nicht sind. Nennt er sein Programm „Mephistos Faust“, so geht es nicht um Beildungsbürgerliches, sondern um Intensität. Wie oft möchte man wie Rumpelstilz rufen – „das hat dir der Teufel gesagt!“. Doch im Pantheon ruft niemand. Es ist still genug für die Stecknadel und jeder hütet sich, auch nur ein Komma zu verpassen. Meta-Kabarett: Im zweiten Teil hebt er die anfangs entwickelten Charaktere wieder auf. Man kann ihnen beim Sterben zusehen.

Alten Bekannten wie dem steifschnarrenden Oberstleutnant Sanftleben, dem sozial- demokratischen Urvieh August. Lothar Dombrowski, mit Pflichtbewusstsein versehrter Preuße – nur noch ein Spurenelement. Das Private bleibt des Politischen Nährschleim. August, hage- und deutschstolz, verdruckst-stotternd, mit „ähs“ und „praktisch“, bele- gen die Ausfälle gegen Araber und Homosexuelle, wie wenig er seinem „linken“ Weltbild rhetorisch und moralisch gewachsen ist. Schramm zeigt (Un-)Menschen wie ..., genau! Es macht also gar keinen Sinn, sie als Monster zu denunzieren. Und bei aller Verdrehtheit: August und auch der Militarist Sanftleben besitzen den unverzichtbaren Rest Gerechtigkeitsgefühl. August lässt sich auch von Müntefering nicht einreden, der Gegensatz von Kapital und Arbeit sei obsolet.

Wolfgang Schlüter